Würzburg (POW) Kritik am Theologen-Memorandum „Kirche 2011: Ein neuer Aufbruch“ zur Krise der katholischen Kirche hat Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand in einem vorab veröffentlichten Beitrag in der Ausgabe des Würzburger katholischen Sonntagsblatts vom 20. Februar geübt. Das entscheidende Defizit liege darin, dass die über 200 Professorinnen und Professoren Veränderungen der kirchlichen Strukturen forderten, ohne dass daraus eine wirkliche Vertiefung des kirchlichen Lebens erkennbar werde. Wenn sich Theologinnen und Theologen in der Öffentlichkeit zu Wort meldeten, erwartete man aber zu Recht differenzierte Argumentationshilfen, gerade wenn es sich um kontrovers diskutierte Themen handelt.
Die Zustimmung des Generalvikars erfährt lediglich die Diagnose im ersten Teil des Theologenpapiers: „Das Bekanntwerden der Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch Kleriker und Kirchenmitarbeiter im letzten Jahr hat die Kirche bei uns und anderswo zweifellos in eine Krise gebracht. Krisis bedeutet aber vom Wortsinn her: Entscheidung.“ Kritische Anfragen stellt Hillenbrand dagegen an die Forderungen zu den Themen Strukturen der Beteiligung, Gemeinde, verheiratete Priester und Frauen im kirchlichen Amt, Verbesserung der kirchlichen Rechtsstruktur, Gewissensfreiheit, Versöhnung und Gottesdienst.
So werde bei der Frage nach Strukturen der Beteiligung des Gottesvolkes an Entscheidungsprozessen mit keinem Wort erwähnt, dass im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Würzburger Synode wichtige Schritte erfolgt seien, wie etwa in der Schaffung von Räten und Gremien auf Pfarrei-, Dekanats- und Bistumsebene. Die Gestaltung des Miteinanders in der einen Kirche brauche sowohl das hierarchische wie das synodale Prinzip: das Amt, welches das Gegenüber von Jesus Christus zu seiner Kirche verdeutliche, und das Gottesvolk, in dem alle miteinander auf dem Weg seien und sich durch den gemeinsamen Ruf in die Nachfolge Jesu verbunden wüssten. Wer „Amtskirche“ und „Volkskirche“ einander entgegensetzt, liegt nach den Worten des Generalvikars theologisch falsch.
Als „reichlich unpräzis“ bezeichnet Hillenbrand die Formulierung bezüglich der Frage nach Frauen im kirchlichen Amt. „Meint das den Diakonat der Frau, wo es für sich genommen durchaus eine differenzierte Diskussion gibt, oder das Priesteramt, wo Papst Johannes Paul II. (1994) verbindlich erklärt hat, dass sich die Kirche vom Rückgriff auf das Handeln Jesu her, der Frauen ja sehr offen begegnet ist, dazu nicht in der Lage sieht?“ Das schließe nicht aus, sondern erfordere geradezu ein vertieftes Nachdenken darüber, wie Frauen in kirchliche Entscheidungsprozesse in erweiterter Weise einzubinden seien. Wer sich dabei auf die Weihe fixiere, erliege einer Engführung. Kirchliches Leben sei weiter und umfassender.
„Leider völlig ausgeblendet“ bleibe bei der Forderung der Gewissensfreiheit die Frage, wie das persönliche Gewissen mit der kirchlichen Gemeinschaft vermittelt und von ihr geprägt werde. Das habe fatale Folgen, wenn dann die Ehe, Ehelosigkeit, Wiederverheiratung und gleichgeschlechtliche Partnerschaft in einem Satz genannt und damit – zumindest vom Eindruck her – auf eine Ebene gestellt würden. „Eine Vermittlung der individuellen Entscheidung mit dem christlichen Schöpfungsverständnis fällt dabei völlig aus“, kritisiert der Generalvikar im Sonntagsblatt. Während zum Beispiel auch eine gescheiterte Ehe sich immer noch im Ansatz auf das biblische Zeugnis der gegenseitigen Ergänzung von Mann und Frau als Abbild der Liebe Gottes beziehen könne, gelte dies für gleichgeschlechtliche Lebensformen nicht. Deshalb dürften solche nicht persönlich diskriminiert werden, was aber nicht bedeuten könne, ihre Lebensform als gleich gültig mit der Ehe zu sehen.
Hillenbrand sei bewusst, dass seine Erwiderung nicht vollständig sein könne und sicher auch Widerspruch provozieren werde. Ihm gehe es darum, nicht einfach Veränderung zu fordern, sondern das Berufungsprofil als Christen zu fördern – im „fairen Austausch von Argumenten“. Dazu sei es notwendig, erst einmal die Fragen zu vertiefen statt vorschnelle Antworten zu bieten.
Parallel zur Stellungnahme des Generalvikars lässt das Würzburger katholische Sonntagsblatt den Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Würzburg, Professor Dr. Erich Garhammer, als Mitunterzeichner des Memorandums in einem Interview zu Wort kommen. Die Theologen, die unterschrieben hätten, seien keine Feinde der Kirche, zu denen sie gemacht würden, sondern Liebhaber der Kirche, weil ihnen an ihr und ihrer Zukunftsfähigkeit etwas liege, betont Garhammer. Das Gleiche hoffe er auch von denen, die nicht unterschrieben haben. „Es gibt kein Schisma zwischen den Theologen.“
Reformwünsche seien ernst zu nehmen, sie kämen aus der Mitte der Kirche. Die Unterzeichner wollten keine andere Kirche, „sondern sie wollen die Kirche, die sie lieben, anders. Das ist ein großer Unterschied. Zudem hat Herr Lütz – Gott sei Dank! – nicht zu entscheiden, wer zur Kirche gehört und wer nicht“, antwortet Garhammer auf die Frage, was er dem Theologen Manfred Lütz entgegne, der den Unterzeichnern den Übertritt zur evangelischen Kirche nahegelegt habe. Die Theologenerklärung ziele auf eine reformfähige Kirche. Insofern unterstütze sie den Reformkurs der deutschen Bischöfe. „Ich habe die Erwartung, dass sich die Bischöfe mit den Theologen zusammenschließen und sich für eine Kirche der Zukunft verausgaben. Diese Aufgabe braucht alle Kräfte! Die Theologen sind dafür bereit!“, unterstreicht Garhammer.
Die komplette Stellungnahme von Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand und das Interview mit Professor Dr. Erich Garhammer finden sich in der aktuellen Ausgabe des Würzburger katholischen Sonntagsblatts vom 20. Februar. Der Text von Generalvikar Hillenbrand steht auch im Internet unter www.sobla.de.
Unterstützung erhält das Memorandum vom Vorstand der Katholischen Landvolkbewegung (KLB) der Diözese Würzburg. Die Ergebnisse des langjährigen Projektes „Land in Sicht – Zur Zukunft der Landpastoral in der Diözese Würzburg“ sowie vielfältige Erfahrungen und Rückmeldungen aktiver Mitglieder ländlicher Gemeinden der Diözese Würzburg bestätigten die Dringlichkeit eines offenen Dialoges über die zukünftige Gestaltung der Gemeinden vor Ort, erklärte der Diözesanvorstand der KLB. Trotz der gegenwärtigen strukturellen Veränderungen und des zunehmenden Priestermangels dürften die Gemeinden nicht ausbluten. Kirche müsse vor Ort leben und präsent sein. Dazu brauche es unter anderem klare Kompetenzen und gute Unterstützung der Ehrenamtlichen. Auch die von den Theologen angesprochene Beteiligung der Gemeindemitglieder an wichtigen personellen und pastoralen Entscheidungen vor Ort ist der KLB seit langem ein wichtiges Anliegen, ebenso wie die Gestaltung von ansprechenden Gottesdiensten, in denen der Glaube und die konkrete Lebenssituation der Feiernden ihren Platz haben.
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