„Empfangt, was ihr seid: Leib Christi, damit ihr werdet, was ihr empfangt: Leib Christi.“ (Augustinus)
Liebe Schwestern und Brüder,
dieser gewichtige Ausspruch des heiligen Augustinus könnte auf Transparenten und Fahnen stehen, die heute unseren Prozessionsweg durch Würzburg säumen oder begleiten: „Empfangt, was ihr seid: Leib Christi.“
Was sind wir? Leib Christi? – Wir? Wir armseligen Christen sind Leib Christi?
Es ist schon vieles über die Kirche als Leib Christi gesagt und geschrieben worden, aber haben wir es auch verinnerlicht?
Oft genug werden wir mit unseren eigenen Fehlern wie denen der Kirche konfrontiert. Unser verstorbener Heiliger Vater Johannes Paulus II. hat im Jahre 2000 öffentlich für die Sünden der Kirche, die im Laufe ihrer Geschichte begangen wurden, Abbitte geleistet. Wir wissen, dass wir eine pilgernde Kirche sind mit allen Fehlern und Grenzen irdischen Daseins. Es käme uns wohl nicht mehr in den Sinn uns als „Heilige“ zu bezeichnen, wie es in der Urkirche geschehen ist. Der heilige Paulus schrieb in Römerbrief: „An alle in Rom, die von Gott geliebt sind, die berufenen Heiligen: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.“ (Röm 1,7) Im Bewusstsein, die frühe Unschuld verloren zu haben, wagen wir kaum noch das Erhabene unserer Erlösung in den Blick zu nehmen.
Und doch ist diese Anrede auch heute nicht überholt. Die auf uns geladene Schuld hat nicht die uns in der Taufe und den anderen Sakramenten zugeeignete Erlösung und damit die Berufung, in dieser Kirche Christ zu sein, aufgehoben. Denn die Kirche ist mehr als die Summe der Gläubigen, der verstorbenen wie der lebenden.
Durch den heiligen Paulus haben wir das Bild der Kirche vom Leib und den verschiedenen Gliedern geschenkt bekommen: „Denn wie wir an dem einen Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder den denselben Dienst leisten, so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, als einzelne aber sind wir Glieder, die zueinander gehören.“ (Röm, 12,4f.)
Paulus hatte als Saulus im Bekehrungserlebnis vor Damaskus die Stimme gehört, die sagte: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Er antwortete: Wer bist du Herr? Dieser sagte: Ich bin Jesus, den du verfolgst.“ (Apg 9,4f.). Saulus hatte die Kirche verfolgt – und Jesus gab ihm zu verstehen, dass ER die Kirche sei: „Warum verfolgst du mich?“
Kirche – Jesus Christus und wir – bilden eine untrennbare Gemeinschaft, die trotz unserer irdischen Begrenzung bleibt. Wir sind der Leib Christi, der über das mühsame Pilgerdasein hinausragt in die in Christus schon gegenwärtige Vollendung. Irdische pilgernde Kirche und vollendete himmlische Kirche, die wir in unseren Heiligen immer wieder auf- und anrufen, sind eins.
Deshalb kann Augustinus sagen: „Empfangt, was ihr seid: Leib Christi.“
Liebe Schwestern und Brüder,
es kann einem schon schwindeln, wenn man sich diesen Sachverhalt klar macht. „Christ, begreife deine Würde!“ wurde deshalb immer wieder dem in Sack und Asche gehenden Christen zugerufen. Und doch bleibt uns zu Recht ein Unbehagen. Gerade weil wir uns der eigenen Schuld bewusst bleiben müssen, kann uns ein solcher Satz nicht leicht über die Lippen kommen. Dies hat auch der heilige Augustinus gewusst und deshalb nicht nur gesagt: „Empfangt, was ihr seid: Leib Christi“ sondern auch den zweiten Teil angefügt: „damit ihr werdet, was ihr empfangt: Leib Christi.“
Wir sollen den Leib Christi empfangen, damit wir werden können, was wir sein sollen: Leib Christi.
Wir empfangen in der heiligen Kommunion wahrhaft und wirklich den Leib Jesu Christi.
Dies ist nicht einfach nur ein symbolisches Geschehen. Es ist nicht nur ein Erinnern an das Geschehen im Abendmahlssaal des Gründonnerstages, sondern es ist ein Vergegenwärtigen des Erlösungsgeschehen am Kreuz des Karfreitags, das sich schon – unblutig – am Vorabend im Abendmahlssaal ereignet hat.
Christus schenkt sich uns in dieser Speise und wandelt uns in sein eigenes Leben. Er gibt uns sein Fleisch und Blut zur Speise und zum Trank und befähigt uns dadurch, sein Leib zu sein.
Viele unserer Mitmenschen zweifeln dies heute an. Sie fragen – wie damals die Juden bei der berühmten Rede Jesu in der Synagoge von Kafarnaum (von der wir soeben im Evangelium einen Ausschnitt gehört haben): „Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?“ (Joh 6,52)
Die Antwort Jesu ist eine deutliche Bekräftigung dieses Anspruches: „Amen, amen, ich sage euch, wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag.“ (Joh 6,53f.)
Indem wir Leib und Blut Christi in der heiligen Kommunion wirklich essen und trinken, wandelt er sich in uns hinein und uns in ihn.
Das ist ebenfalls kein einfaches symbolisches Geschehen sondern ein reales. Hier kommen Symbolisches und Reales, Sinn und Sein zur vollkommenen Deckung – ein Geschehen, das bis dato in der abendländischen Metaphysik vergeblich zu erreichen versucht wurde. Das Zeichen und das Bezeichnete fallen in ein zusammen. (Bischof Gebhard Fürst)
Deshalb dürfen wir nie gedankenlos oder gar unwürdig zur Heiligen Kommunion gehen. Der Empfang der heiligen Kommunion ist immer zugleich mit der Verpflichtung verbunden, das zu werden, was wir empfangen: Leib Christi.
Liebe Schwestern und Brüder,
aus diesem Grund hat im 13. Jahrhundert Juliana von Lüttich aufgrund einer Vision angemahnt, die heilige Eucharistie durch ein eigenes Fest in den Jahresfestkreis aufzunehmen. Als erster hat ihr Bischof Robert dies 1246 für Lüttich eingeführt. Der damalige Lütticher Archediakon, der später Papst Urban IV. wurde, hat dies dann für die ganze lateinische Kirche verbindlich gemacht.
Wir dürfen uns voll Freude vergewissern, dass Christus wahrhaft in dieser kleinen Hostie unter uns gegenwärtig ist und sich uns als Speise reicht, damit wir leben können, nicht nur einige wenige irdische Lebensjahre, sondern – mir stockt der Atem – ewig.
Wir können gar nicht genug den Prozessionsweg schmücken, Lieder und Gebete voll innerer Anteilnahme singen und beten und die Glaubensfreude in die Welt hinein verkünden. Denn allen Menschen soll dieses Wunder zum Heil werden, das der heilige Augustinus uns ans Herz legt:
„Empfangt, was ihr seid: Leib Christi, damit ihr werdet, was ihr empfangt: Leib Christi.“
Amen.