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„Unsere Zeugenschaft ist angefragt“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am ersten Weihnachtsfeiertag, 25. Dezember 2011, im Neumünster in Würzburg

Liebe Schwestern und Brüder,

Berichte über Katastrophen und Verbrechen, bedrückende Nachrichten über Hunger und Elend in der Welt erreichen uns täglich über die boomenden Medien. Die Kommunikationsmittel – inklusive Internet – haben in den letzten Jahren eine derartig große Entwicklung genommen, dass viele von uns sich gegenüber dieser Inflationsflut überfordert fühlen. „Bad news is good news“– „Eine schlechte Nachricht ist eine gute Nachricht“ lautet offensichtlich eine Grundregel des Journalismus.

„Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, … der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt.“ (Jes 52,7)

Diese Aussage des Propheten Jesaja ist heute noch genau so aktuell wie vor 2800 Jahren. Wir freuen uns über jede gute Botschaft. „Brecht in Jubel aus, jauchzt alle zusammen, ihr Trümmer Jerusalems! Denn der Herr tröstet sein Volk, er erlöst Jerusalem“ (Jes 52) ruft uns auch in dieser festlichen Stunde Jesaja zu. Die frohe Botschaft der Heiligen Nacht, die wir alle zur Genüge kennen, lautet: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.“ (Lk 2,11)

Diese frohe Botschaft ist zweitausend Jahre alt, wird jedes Jahr aufs Neue verkündet, und ist doch für viele unserer Mitmenschen so unbekannt, dass sie – wie viele Interviews dokumentieren – nicht wissen, was wir an Weihnachten feiern.

Es scheint mir, dass wir mit dieser Botschaft der Menschwerdung des Sohnes Gottes so etwas erreichen müssten wie mit dem berühmten Bild „Geißelung Christi“ aus dem fünfzehnten Jahrhundert, das vor kurzem nach Einsicht in den Verlustkatalog von der Indiana University in Bloomington als „gelungenes Beispiel einer Restitutionspraxis“ (FAZ, 13.12.11) an seinen Ursprungsort in Aachen zurückgegeben wurde. Wie wichtig ist es, dass die beglückende Nachricht von der Geburt des Erlösers auch heute die Herzen der Menschen erreicht.

Müssten wir nicht alle in Jubel ausbrechen, dass Gott uns nicht in den „Trümmern dieser Welt“ allein zurückgelassen hat, sondern seinen Sohn gesandt hat? Müssten wir nicht alle „zusammen jauchzen“, dass der ewige, allmächtige, unsichtbare Gott in Jesus Christus einer von uns geworden ist, ein Mensch aus Fleisch und Blut? Ist die Nachricht nicht wirklich absolut neu, dass durch das Kind von Betlehem unser Tod aufgebrochen wurde in das Ewige Leben? Und kann man wirklich darüber hinweggehen, dass sich Gott als ein menschennaher, uns durch unser Leben begleitender Gott erwiesen hat? Wir können ihn in Christus anschauen, hören, berühren. Seine unmittelbare Gegenwart und Nähe erweist sich auch heute in der Verkündigung seines Wortes und in der Feier der Sakramente.

Das Problem scheint darin zu bestehen, dass dieser Botschaft nicht wirklich geglaubt wird.

Die Kirche hat leider in den letzten Jahren viel an Glaubwürdigkeit verloren und damit den Weg zur Akzeptanz der Frohen Botschaft erschwert.

Aber schon Georges Bernanos ließ in seinem Werk Jesus sagen: „Seit Anbeginn war meine Kirche, was sie heute noch ist und was sie bis zum letzten Tag sein wird: das Ärgernis der Starken, die Enttäuschung der Schwachen, die Prüfung und der Trost der nach innen Gekehrten, die in ihr nur mich suchen. Ja, wer mich darin sucht, findet mich, aber man muss mich suchen, denn ich bin besser darin verborgen, als man denkt … Für die, die nicht demütig hinter den heiligen drei Königen und den Hirten auf mich zuschreiten, bin ich noch schwerer zu entdecken als im kleinen Stall von Betlehem. Denn man hat mir zwar Paläste errichtet … aber um mich dort zu finden wie auf der alten, schneeverwehten Straße Judäas, braucht auch der Klügste nur von mir zu erbitten, was ihm einzig nottut: einen Stern und ein lauteres Herz.“

Der Johannesprolog, den wir so eben als Evangelium, als Frohe Botschaft, hörten, spricht auch schon unsere Situation an: „In ihm (dem fleischgewordenen Wort) war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.“ (Joh 1,4u.5) Der Evangelist Johannes jammert aber nicht über die Dunkelheit der Welt, sondern verweist dabei auf Johannes den Täufer als Zeugen, der für das fleischgewordene Wort Gottes mit seinem ganzen Leben eintritt. Wörtlich: „Johannes legte Zeugnis für ihn ab und rief: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war. Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen Gnade über Gnade.“ (Joh 1,15u.16)

Liebe Schwestern und Brüder,

unsere Zeugenschaft ist angefragt. Leben wir als Christen so, dass Christi Botschaft und Heilswerk in uns aufleuchten? Unterscheiden wir uns in unserer Grundhaltung und Lebensführung von den Menschen unserer Zeit, die nur auf das Innerweltliche fixiert sind und keinen Glauben an Gottes Unter-uns-sein und keine Hoffnung auf das zukünftige Leben haben? Lassen wir uns von dem Kind in der Krippe in unserem Herzen berühren?

Der verstorbene Aachener Bischof Klaus Hemmerle hat den wunderbaren Gedanken formuliert, den ich uns am heutigen Weihnachtsmorgen mit auf den Weg geben möchte: „Gott hat in seinem Sohn ein Herz, ein menschliches Herz, angenommen und in diesem Herzen sich selbst, die Liebe, die er ist, hineingehalten in alle Schicksale und Wandlungen menschlichen Lebens. Alles, schlechterdings alles, geht ihm zu Herzen. Was immer uns begegnet, wir begegnen etwas, das Gott zu Herzen geht.“ (Weihnachtsbrief von Weihbischof J. Peters, Dezember 2010)

Amen.